1997
    LIONEL RICHARD, Die Enzyklopädie des  Expressionismus- Original „Encyclopédie de l´Expressionisme“, Somogy, Paris  1978- Ein Zitat von HERBERT KÜHN: „Es  gibt keinen Expressionismus ohne Sozialismus.“
Lionel Richard leitet die erste Periode der Moderne von 1915-1930 aus vielen Gründen immer wieder vom Expressionismus ab. Im Wechsel als Stil, als Bewegung interpretierbar, behauptet er: „Mit dem Expressionismus wird die, zur gesellschaftlichen Kunst werdende Moderne, geboren. Sie bedeutet gleichzeitig verbales Experimentieren, Abstraktion in der Malerei, synthetisches Theater, dissonante Musik In ihr begegnen sich sämtliche in der Kunst unserer Zeit auftretende Tendenzen.
Die sozialistischen Revolutionen waren in Westeuropa schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts erloschen. Sie sind auch in der übrigen Welt am Vergehen oder haben sich wesentlich verändert.
Was wird dann aus der Moderne? 
    Lenin sagte am Anfang: „Der Kommunismus muss gewagt werden- der Ausgang ist zwar ungewiss, das  Experiment muss angefangen werden.“ Ebenso geschah es auch mit der  Weltrevolution der Bildenden Künste. Beide sind in eine Sackgasse geraten.
Die gesellschaftlichen Bewegungen haben im  20. Jahrhundert Aufmerksamkeit erregt, mehr denn je zuvor. Die Entwicklung der  Technik schien unaufhaltbar. Das Denken, die Gesinnung in Extremen war  unumgänglich geworden. Auch die Bildenden Künste mussten sich auf diesem Niveau  entwickeln. Sie wollten die, am Anfang des Jahrhunderts erreichte  Aufmerksamkeit, bewahren.
    
  Schon zu Anfang der Moderne war man zu  „DADA“ gelangt, was heute kosend „Minimal Art“ genannt wird. Nun, die modernen  Künste (die Ismen) haben blitzartig, aus ihren derzeit noch spontanen  Bewegungen geendet. Man war sich der Übertriebenheit klar bewusst. Es war  damals eine wichtige Warnung. Die Bildende Kunst bewegte sich trotz alledem auf  dieser Flugbahn weiter, mit gierigem Verlangen nach einer Explosion, ähnlich  den „Ismen“ des vorigen Jahrhunderts. Aber es geschah nichts Wundervolles.
Die weiteren Perioden der Bildenden Kunst sind vorläufig, bis heute etwa sieben Jahrzehnte lang, festgefahren. Dieser Zeitabschnitt ist nach heutiger Auffassung ebenso konfus wie der forcierte Kommunismus.
Die Bildende Kunst ist über alle bisherigen  Gesetze, Sitten und Werte hindurchgerasselt, ständig das Auffällige und  Überraschende suchend. „Nur eine Anzahl  der ästhetischen Prinzipien und die expressionistische Technik sind geblieben,  aber auch diese sind zur leeren Mode geworden. Kein Wort ist über die von  Kandinsky verkündete innere Notwendigkeit gefallen. Die abgebrochenen Konturen,  die explodierenden Formen, die Disharmonie, die Dissonanz, der absichtliche  Primitivismus, die grellen Farben dienen nur dazu, um beim Publikum, genau  berechnet, emotionalen Schock hervorzurufen.“
    
    So schreibt Lionel Richard in dem oben  zitierten Essay.
    Weder Betätigung noch Nutzen, noch  irgendwelche humane Absichten sind zur treibenden Kraft geworden.
    Der Mensch als Objekt des Kunstwerks ist  indirekt, lediglich durch Darstellung seiner Gebrauchsgegenstände wirklich  sozialrealistisch anwesend, oder überhaupt nicht. So sind diese Kunstwerke  zeitweise nur vom kunsthistorischen Standpunkt zu betrachten.
    
    Wer legt einen Haufen von zerbrochenen  Bierflaschen, dazu eine dreckige Kohlenkiste, stinkenden Mäusedreck in seine  normal saubere Wohnung, nur weil das „Werk“ vom „Schaffenden Künstler“ signiert  wurde. Die Museen wiederum, sind voller Müll, Lumpen, zerbrochenen Brettern,  verrosteten Eisenhaufen, dreckigen Kohlen - und Gemüsekisten – eine  Dokumentation der Realität dieser Epoche.
    
    Es soll die größte, wenngleich stille,  Revolution des 20. Jahrhunderts, die Emanzipationsbewegung der Frauen nicht vergessen  werden. Während dieser Bestrebungen hat sich das weibliche Wesen gewandelt,  sowohl in seiner Beziehung zum Mann als auch – entsprechend der Erfüllung von  historischen Zwangsrollen – in seiner Stelle in der Gesellschaft.
    Tatsache ist: Die Frau erscheint heute in  unseren Vorstellungen, rückblickend auf die Geschichte, vollkommen anders. So  hat sie sich auch in den Augen des Künstlers oder der Künstlerin verändert. Das  bedeutet ein neues Erlebnis, das noch nicht wirklich verarbeitet wurde.  Deswegen ist das weibliche Wesen als ästhetischer Begriff fremd geworden und  wird heutzutage als Kunstinhalt vermisst. Dazu hat eine Tendenz beigetragen in  der sich in letzter Zeit die ästhetischen Begriffe extrem verändert haben,  genauer gesagt, sie sind nicht mehr vorhanden. Diese Tendenz hat die freie  bildliche Darstellung bisher verwendeter Begriffe nicht als zeitgemäß  eingeschränkt, bis zur gänzlichen Vertreibung aus der Bildenden Kunst der  Gegenwart.
    
    Die konventionellen menschlichen Gefühle,  wie Verlangen, Farben, Stimmungen, sind nicht mehr erwünscht. Gleichzeitig hat  sich alles zur Esoterik verschoben. Es ist bekannt: Hier ist Platz für alles,  Klein und Groß, Talent und Hokuspokus. Jeder schwache Geist findet hier sein  Versteck.
    
  Wenn man heute fragt, ob die Moderne der  Anfang einer Epoche ist, lautet hinsichtlich der Ausweglosigkeit und  Verkümmerung die Antwort: Die Moderne ist  das Ende einer Epoche.
In diesem Sinn erkläre ich zum Jahr der Bildenden Kunst der Welt das Jahr 1997
DER TOD DER VENUS
 Balint
    
  














